Der Fluss der Nachtigallen

1.5. – 4.5.2025 auf dem Main

An einem herrlich warmen Tag entladen wir unsere Kajaks am Ufer des Main. Die Sonne scheint uns warm ins Gesicht und schnell werden alle Jacken und Pullover ausgezogen. Während wir uns startklar machen, singt über uns im Baum eine Nachtigall. Wie lange ist es schon her, dass ich eine Nachtigall gehört habe? Drei Jahre? Fünf Jahre? Es ist ein Tag im Mai, wie er schöner nicht sein könnte. Die ungewohnt warme Sonne führt zu der Frage, ob wir unbedingt Schwimmwesten anziehen müssen. „Das kann jeder selber entscheiden“, lautet die Antwort, die wir im weiteren Verlauf des Tages noch bereuen werden.

Schließlich sind wir startklar und setzen unsere Kajaks unterhalb des Wehrs bei Hausen, neben dem schönen Sandsteingebäude der alten Porzellanmanufaktur ins Wasser.  Etwas wehmütig verabschieden wir uns von der Nachtigall, dann fahren 14 Kajaks und ein Canadier in einer langen Reihe den Main hinunter. Mit guter Strömung trägt uns der Fluss an wunderschönen alten Bäumen vorbei, die mit ihrem herrlich frischen Frühlingsgrün protzen. Nach dem langen Winter kann ich mich an dem vielen Grün gar nicht satt sehen. Der Main fließt hier in einem recht schmalen und kurvigen Bett zwischen dicht stehenden Bäumen und Büschen. Die weißen Blüten der Weiden färben ganze Bäume weiß und werden manchmal vom Wind in einer Art Blütenschleier über den Fluss getrieben. Um den Zauber zu vervollkommnen, singt hinter der nächsten Kurve die zweite Nachtigall! Einige Kurven weiter singt wieder eine! Unsere ganze Fahrt den Main hinunter ist vom Nachtigallengesang begleitet.

Auf dem Main wird es mir nie langweilig. Die vielen engen Flusswendungen, Inseln und seitlich auftauchenden Seen ergeben immer wieder ein neues Bild. Bei dessen Bewunderung muss ich dennoch aufpassen, nicht in einen der Bäume zu geraten, die quer zur Strömung liegen. Plötzlich hören wir ein Rauschen und vor uns taucht der erste Schwall auf. Durch den geringen Wasserstand müssen wir uns gut überlegen, wo wir fahren wollen. Die vielen Steine bergen das Risiko, hängen zu bleiben und zu kentern. Die erfahrenen Paddler zeigen eine gute Passage an und die weniger erfahrenen folgen und so kommen alle gut unten an. Doch ich habe das erste Mal das Gefühl, den Fluss unterschätzt zu haben und fühle mich unwohl, denn ich habe meine Weste nicht an, und in dieser befindet sich immer mein Wurfsack. Ich habe also weder Weste noch Wurfsack dabei und denke für mich: „Wenn hier doch einmal jemand kentert und in einen Baum getrieben wird – wie kann ich ihm helfen?“

Beim nächsten Schwall ist es am besten, ganz links zu fahren. Unten angekommen müssen wir sofort nach rechts paddeln, da wir sonst in einen querliegenden Baum geraten. Jetzt verfluche ich mich dafür, meinen Wurfsack zuhause gelassen zu haben. Aber wieder kommt das gesamte Team gut durch die hüpfenden Wellen.

Bei einigen der engen Passagen mit viel überhängendem Gestrüpp mache ich mir Sorgen, dass jemand durch die starke Strömung zu weit in der Kurve nach außen getrieben werden könnte und sich in den weit überhängenden Bäumen verfangen könnte. Und wirklich geschieht genau dies kurz darauf: Das Wasser trägt natürlich gerade den mit der geringsten Erfahrung, Rudi, mit viel Schwung in die Außenkurve und in die Zweige, die hier dicht über dem Wasser wachsen. Er versucht, sich unter den Ästen durch zu ducken, aber es gelingt nicht. An Paddeln ist nicht mehr zu denken: Überall Äste und Zweige. Das Wasser sprudelt munter unter dem Gestrüpp hindurch und drückt das Kajak weiter nach vorn und Rudi weiter ins Gebüsch. Es gibt weder vor noch zurück! Schließlich greift Rudi den nächsten Ast und versucht, sich weiter in die Flussmitte zu ziehen. Plötzlich ist sein Kajak weg und er hängt nur noch in den Zweigen, während der Fluss unter ihm durchrauscht. Es ist nicht klar zu erkennen, wie das Gestrüpp unter dem Wasser weitergeht und ob hier die Gefahr besteht, von der Strömung in die Äste und Zweige unter Wasser gedrückt zu werden. Daher hält Rudi sich lieber am Baum fest und versucht, mit den Füssen einen Stand auf einem der Äste unter Wasser zu finden. Als ihm die Füße immer wieder abrutschen und er in Gefahr gerät in der Strömung zu landen wird ihm ganz mulmig.  Seine Arme werden müde und gerade als er sich fragt, ob er sich noch länger halten kann finden seine tastenden Füße plötzlich Halt an einem starken Ast. Rudi kann sich in eine stabile Position manövrieren und fürs erste ist die Gefahr gebannt. Doch wie nun wieder aus dem Baum herauskommen? Wo sind eigentlich sein Kajak und sein Paddel? Er hofft und wartet ungeduldig auf seine erfahrenen Mitpaddler. Inzwischen sind andere aus unserem Team bei ihm. Ein Freund mit Wurfsack steht bereit, leider flussabwärts, wo er keine Hilfe sein kann. Karin findet schließlich einer nahen, seichten Stelle einen stabilen Stand. Leider hat auch sie keinen Wurfsack dabei! Da der Fluss hier nur schmal ist und die starke Strömung nur auf Rudis Seite ist, gilt es nur einen guten Meter zu überwinden. Da genügt ein Paddel, an dessen Ende sich Rudi festhält und endlich aus dem Gebüsch und aus der Strömung ins seichte Wasser gezogen wird. Nachdem das schlimmste hinter ihm liegt, dauert es nicht lange, bis Kajak & Paddel gefunden sind und alle glücklich weiterfahren können. Es ist uns eine Lehre, nie wieder ohne Westen und ist. Man weiß Wurfsäcke zu fahren, selbst wenn es „nur“ eine Wanderpaddeltour auf vergleichbar einfachem Gewässer nie, was passiert! Am Abend dieses zauberhaften Tages sitzen wir zusammen im Garten unseres Ferienhauses und grillen die köstlichsten Sachen. Dazu gibt es Salate und Kartoffeln mit dem großartigen Bärlauch-Pesto von Sybille. Zum krönenden Abschluss verwöhnt uns Olgas mit ihrem selbstgebackenen Kuchen, den sie nach einem jahrhundertealten Rezept zubereitet hat. Nachdem wir alle glücklich und mit vollen Bäuchen die Abenteuer des Tages durchgesprochen haben, erzählen uns Olga und Bernd ihre märchenhafte Liebesgeschichte. Aber dies ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.

(Die geschilderten Ereignisse haben sich im Laufe mehrere Tage ereignet und habe ich der besseren Geschichte wegen zusammengefasst. Natürlich sind noch viele andere Dinge passiert, was ich hier nicht alles erzählen kann!)


Rezepte zur Reise:

Bärlauchpesto

  • 3 handvoll Bärlauchblätter (Achtung Maiglöckchenblätter sehen sehr ähnlich aus und sind giftig! Glücklicherweise erkennt man Bärlauch am Geruch)
  • 75 Kerne (Cashew, Sonnenblumenkerne, Pinienkerne, was gerade da ist)
  • 4 EL Parmesan
  • 2 LT Salz
  • 1 TL Pfeffer
  • 1 TL Arrabiata-Gewürz
  • Ca. 200 ml Olivenöl

Bärlauch und Nüsse klein hacken, Parmesan fein reiben. Alles so lange vermischen und so viel Olivenöl zugeben bis es sämig wird. In 2 kleinere Gläser mit Schraubdeckel geben. Hält sich 4 – 8 Wochen im Kühlschrank. Nach jeder Nutzung wieder etwas Öl hinzufügen, so dass eine dünne Schicht Öl oben auf dem Pesto zu sehen ist und dies vor Oxidation schützt.